Die Angst vor der Trennung: Über gegenseitige Abhängigkeit in Beziehungen

Die Angst vor der Trennung: Über gegenseitige Abhängigkeit in Beziehungen

Denise Winter
von Denise Winter

"Ich weiß gar nicht, wie ich die Trennung umsetzen soll. Ich verdiene kaum, ich kann das Haus allein nicht halten, ich weiß gar nicht, wie ich das umsetzen soll. Alleinerziehend. Ich bin lieber in dieser unglücklichen Situation aber finanziell irgendwie abgesichert. (...) Gut geht es mir damit natürlich nicht. Ich bin nicht glücklich und er auch nicht. Aber ich kann meine Stunden nicht erhöhen, wer kümmert sich denn dann um die Kinder? (...) Allein die Vorstellung, dass er sich ein ganzes Wochenende allein um die beiden kümmern soll - das kann ich mir kaum vorstellen. Dann wird wahrscheinlich immer Halli Galli sein, weil er einen Alltag in dem er die Verantwortung hat für die Kinder, gar nicht kennt. (...) Ich befinde mich in der schwierigsten Situation. Wir tun uns nicht mehr gut, wir streiten viel, wir sind beide unglücklich. Aber eine Trennung kann ich mir nicht leisten und ich glaub er hat Angst vor der Verantwortung, wenn er allein ist mit den Kindern. Wir stecken so richtig fest."*

*Aus dem Coaching in meiner Praxis

Design ohne Titel 6

Die Angst vor der Trennung

In meiner Praxis höre ich von einigen Klient*innen immer wieder, dass sie unglücklich sind, nicht voran kommen, sich in ihrer Partnerschaft nicht mehr zugehörig fühlen. Auf meine Frage, ob sie über eine Trennung nachdenken, kommt dann oft sehr deutlich, dass die Angst vor der Trennung diesen Gedanken gar nicht richtig zulässt. 

Es ist, als wäre es eine Hürde, die komplett unüberwindbar erscheint. "Ne, das geht ja einfach nicht. Also das ist kein Option, denn ich kann nicht gehen. Ich kann mir das gar nicht leisten!"

Wie so oft in meinen Artikeln geht es auch hier wieder um Angst und die sorgt wie so oft für Resignation, für Lähmung und für innere Unzufriedenheit. Menschen verlieren durch dieses Gefühl oft das Bewusstsein für ihre Selbstwirksamkeit und durch die gefühlte Handlungsunfähigkeit geben sie sich irgendwann dem hin, von dem sie glauben, es müsse so sein.

Was ist da bloß geschehen?

Da sitzen gestandene Frauen im Coaching, die super ausgebildet sind, gute Berufe haben und nicht mehr entscheiden können, ob sie in ihrer Partnerschaft bleiben wollen oder nicht. Die finanzielle Abhängigkeit vom Partner ist zu groß, dass Gefühl "ich kann das aushalten" ist fest eingeübt und wird zur inneren Überschrift. 

Die Abhängigkeit von Frauen in Partnerschaften ist bekannt und gelebt. Spätestens mit der Geburt der Kinder beginnt dieser Zustand. Frauen nutzen sehr viel öfter die Elternzeit und gehen im Anschluss deutlich häufiger in Teilzeit. Es ist ja auch schön, Zeit mit den Kindern zu verbringen und sich um die Familie zu kümmern - keine Frage. Nur findet ab diesem Moment in den meisten Partnerschaften ein Bruch statt. 

"Ein Bruch? Nein, so war das nicht. Wir wollten beide das Kind und wir wollten ja auch beide das wir das so umsetzen. Zumindest im ersten Jahr."

Ok spielen wir das mal durch. Du wirst schwanger, du bekommst dein Baby, du stillst oder gibst die Flasche, du trägst es herum. Du stellst alles andere in den Hintergrund, denn dein Baby kommt immer zuerst. Wenn ich im Familiencoaching mit den Vätern spreche, dann beschreiben die diese Lebensphase oft ungefähr so: 

"Ich habe es als eine Belastung für unsere Partnerschaft empfunden. Sie hat immer die kleine um sich herum, sie kann stillen. Das kann ich ja nunmal nicht. Wir können eigentlich nichts mehr zusammen als Paar machen. Wir sind jetzt Mama und Papa und ich habe das Gefühl, dass sie das alles ganz anders wahrnimmt als ich." (Aus dem Familiecoaching).

Die Mütter hingegen beschreiben vor allem dieses erste Jahr ihres Kindes als ein Jahr voller Entbehrungen, Schlafmangel und Belastung. Natürlich sind die allermeisten sehr glücklich darüber, ihr Baby um sich zu haben. Und zeitgleich sind die müde und belastet. Es ist auch hier immer ein UND - kein Oder!

Da ist er, dieser erste Bruch von dem ich gesprochen habe. Die oft sehr unterschiedliche Wahrnehmung der Lebensphase, die verschiedenen Gefühle, Wünsche & Ziele. Wer hier noch nicht anfängt, in die Beziehung zu gehen und durch konstruktive Kommunikation wieder zueinander zu finden, der lässt zu, dass Verletzungen entstehen, die sehr häufig später immer wieder aufbrechen. 

Zurück in den Beruf und her mit der Doppelbelastung

Die meisten Frauen werden das kennen. Zurück im Beruf, meist in Teilzeit und komplett überlastet. "Du arbeitest doch nur noch 15 oder 20 Stunden." Nur noch. Sonst machen wir ja auch alle nichts oder? Wir bringen die Kinder in die KITA, dann gehen wir entspannt arbeiten, wir holen die gechillten Kids wieder ab, wir gehen super happy einkaufen, Waschen zu Hause die Wäsche, räumen auf, spielen ein Spiel nach dem anderen mit den lieben kleinen, wir decken den Abendbrot-Tisch - denn: ein gemeinsames Abendbrot ist ja für die fürsorgliche Familie unabdingbar . Natürlich sind wir dabei stets entspannt und wir freuen uns, wenn gegen Abend der Vati nach Hause kommt und wir gemeinsam den Abend ausklingen lassen. 

Herrlich - UNECHT! 

Zurück in den Beruf, auch in Teilzeit (!!!) bedeutet für die Frauen, sich zu vierteilen. Immer unter dem Druck, die Bewertungen von außen auszuhalten. Denn nachdem sie arbeiten waren, haben sie die Verantwortung, Themen aus KITA und Schule zu verarbeiten, die Freizeitgestaltung und emotionale Unterstützung ihrer Kinder zu gewährleisten, meistens den Haushalt zu organisieren und haben in alle dem selbst noch gar nicht stattgefunden. Wo ist da noch Platz für Beziehung?

Der nächste Bruch findet dann statt, wenn er (herrlich klassisch) von der Arbeit kommt und sie schlecht gelaunt und müde mit der Hausarbeit nicht fertig geworden ist. Zwei Menschen teilen ihr Leben - in der Idee. Aber im echten Leben findet das nicht statt! In der Realität erleben beide völlig unterschiedliche Lebensinhalte, empfinden verschiedene Gefühle, leben einfach unterschiedliche Leben. Wie soll er wissen, wie anstrengend das Leben sein kann, mit Arbeit und Kindern. "Sie arbeitet ja nur halb so viel (...)" wie er und er findet die halbe Stunde am Abend "jetzt gar nicht so anstrengend."

Die Beziehung geht dann schleichend verloren

Kannst du dir vorstellen, dass zwei Menschen sich dann entfremden? Wenn beide unter Druck stehen und beide sich vielleicht einsam fühlen? Und wenn diese beiden Menschen kein Gefühl mehr dafür haben, wie der / die andere das eigene Leben wahrnimmt und das des Partners oder der Partnerin?

Sehr sehr häufig entsteht ein Konkurrenzgefühl in dem der defizitäre Blick auf den Partner / die Partnerin wächst und sich das "Miteinander" langsam und stetig verabschiedet. 

Voller Neid blicken wir dann auf die andere Seite und die Möglichkeit, sich verletzlich und bedürftig zu zeigen schwindet mit jedem Konflikt. Der Graben wird tiefer und die Traurigkeit größer. 

Und dann sitzen sie beide irgendwann mit ihren Handys am Abendbrot-Tisch oder auf dem Sofa. Beide in der eigenen Welt, die Gefühle eingeschlossen. Wertschätzung ist ein Fremdwort geworden. 

Die ersten Gedanken über eine Trennung

Manchmal denken sie beide darüber nach, ob sie das überhaupt noch wollen. Eigentlich sind sie sich einig: Sie wollen so nicht mehr. Nur kann es keiner Aussprechen. 

Er hat Angst, dass er den Kontakt zu den Kindern verliert. Schließlich arbeitet er so viel, er hat ja in Wirklichkeit keine Zeit, sich so um die Kinder zu kümmern. Er könnte bei der Arbeit die Stunden reduzieren. Möglich ist das, er hat es bei einem Kollegen gesehen. Aber dieser Kollege verdient natürlich jetzt auch deutlich weniger und aufsteigen kann man in Teilzeit auch nicht. Wenn er so darüber nachdenkt, dann verschwindet diese Option immer mehr. Er hat in den letzten Jahren so viel getan für diese Position, so viele Überstunden. Jetzt wieder ein paar Stufen hinab zu steigen, Nein! 

Im aktuellen Zustand ist er zwar mit ihr nicht glücklich, aber so hat er jeden Abend seine Kinder. Den Preis kann er zahlen. 

Sie ist innerlich schon genervt, wenn sie seinen Schlüssel in der Tür hört. Wenn er nach Hause kommt, dann kommen die Konflikte und die doofen Gefühle. Manchmal stellt sie sich vor, wie sie allein in einer kleinen Wohnung wohnt, natürlich mit ihren Kindern - gute Mütter denken so. Aber wie sollte sie das bezahlen? Und überhaupt: Den Kindern den Vater nehmen? Das Haus kann sie nicht bezahlen. Sie würde ihren Süßen also auch das Zuhause nehmen. Vielleicht müssten sie irgendwo anders hinziehen? Sie müsste mehr arbeiten? Wann sollte sie das machen? 

Im aktuellen Zustand ist sie zwar mit ihm nicht glücklich, aber so hat sie zumindest die Sicherheit, dass es irgendwie funktioniert. Den Preis kann sie zahlen. 

Es folgen Resignation, Frustration und Stellvertreterkonflikte!

Statt sich diesem Thema zu widmen sucht sich die Seele Stellvertreterkonflikte. Manchmal gehts dann um die Beziehung zu den Kindern oder zu Freunden, den Eltern usw. 

"Die Beziehung zu meinem Mann ist nicht so schön. Also es geht bestimmt schlimmer (...). Ich kenn das aber jetzt auch schon seit Jahren so und das ist schon ok. Aber zu meinen Kindern hätte ich gern ein besseres Verhältnis. Das ist mir sehr viel wichtiger."

Im Coaching erlebe ich dann manchmal Familien, die mit ihren Kindern mehr Kontakt haben wollen, mehr Miteinander, weniger Streitigkeiten und mehr Harmonie. In den seltensten Fällen sind die Kinder überhaupt Teil des Konflikts! Erwachsene sollten damit beginnen, die Verantwortung für die Familiendynamik auch selbst zu übernehmen. 

Was könnte sein...!

Im nächsten Artikel werde ich darüber schreiben, wie wichtig alternative Beziehungs- und Familienmodelle sind. Unsere Gesellschaft hat sich verändert und es wird dringend Zeit, dass wir unsere Denkmuster entsprechend aktualisieren

Bis bald, 

Denise


Denise Winter
Denise Winter
Pädagogin und Coachin

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