Trennung trotz Liebe - wenn die Beziehung nicht gleichwürdig verläuft

Trennung trotz Liebe - wenn die Beziehung nicht gleichwürdig verläuft

Denise Winter
von Denise Winter

"Das wir so viel streiten, liegt nur daran, dass ich es immer so kompliziert mache. Das sagt er zumindest. Er findet, dass ich mich einfach etwas mehr anstrengen könnte oder einfach besser zuhören. (...) Es könnte richtig harmonisch sein, wenn ich (...)"

Design ohne Titel 20

Das Ungleichgewicht findet seinen Ursprung

Es hat sich eingeschlichen, über Wochen, Monate - manchmal sogar über Jahre oder Jahrzehnte. Anfangs war er nett, er hatte sie gut fühlen lassen. Sie hatte gedacht, er sei der einzig Richtige. Alles, was sie sich für eine Beziehung gewünscht hatte, wurde jetzt wahr. Sie konnten ihre Interessen vereinen, er war liebevoll und großzügig. Sie fühlte sich wohl und geborgen. 

Zu Anfang hatte sie natürlich weniger Zeit für ihre Familie und ihre Freundinnen aufgebracht. "Das kennt man doch oder? Wenn man einen neuen Partner hat, dann steht der ja erstmal im Fokus". Ja das kennt man. 

Den ersten Streit hatten sie gehabt, als sie weniger Zeit für ihn und ihre Beziehung aufbringen konnte. Sie hatte für eine Prüfung an der Uni mehr lernen müssen und sich für 14 Tage von allem abgeschottet. Sie wollte diese Prüfung richtig gut bestehen, es ging um eine sehr wichtige Benotung. Er hatte sich verletzt, ein bisschen angegriffen und in manchen Nachrichten schon fast beleidigt gezeigt. Etwas hatte sich verändert und er fühlte sich beiseite geschoben und nicht wertgeschätzt. Mit diesem Gefühlen konnte er schwer umgehen, also zog er sich zurück, antwortete nur noch sporadisch auf Nachrichten - von allein meldete er sich nicht mehr. Sie hatte es bemerkt, hatte seine Nachrichten und den darin enthaltenen Unterton wahrgenommen, nur hatte sie zu wenig Kapazitäten dafür. 

Als sie sich am Abend nach ihrer Prüfung zum Essen treffen wollten, kam er 20 Minuten zu spät. Die Arbeit hatte ihn aufgehalten - das passiert schon Mal; das kann immer sein; das macht ja niemand mit Absicht. Als er kam hatte er ein "wenig abgekühlt gewirkt", hatte wenig Interesse an dem Verlauf ihrer Prüfung gehabt. Seine Fragen in diese Richtung waren eher aus Höflichkeit gestellt, denn aus Interesse an ihr. Die Antworten hatte er auch schnell abgetan. 

Sie konnte die Stimmung greifen - es war etwas anders als sonst. Auf ihre Frage, was los sei, reagierte er direkt angegriffen. "Mit mir ist nichts los. Ich bin wie immer. Die Frage ist, was ist mit dir los?, antwortete er ihr. Sie verstand im ersten Moment nicht, was geschehen war. Er war so bisher nicht gewesen. Etwas musste ihn verletzt oder gekränkt haben. Es brauchte nur wenige Sekunden, bis ihr klar wurde, dass nur sie es sein konnte, die ihn so verletzt hatte. Diesen wunderbaren, freundlichen und attraktiven Mann. 

"Es tut mir Leid, dass ich so wenig Zeit hatte für dich. Ich musste wirklich sehr viel lernen."

Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, voller Vorwürfe und in seiner Stimme klang seine kontrollierte Wut durch: "Du hast unsere Beziehung in den letzten zwei Wochen auf Pause gestellt. Ich war immer für dich da, aber du hast dich nicht im Mindesten für mich und meine Bedürfnisse interessiert. Ich glaube einfach, dass du nicht zu schätzen weißt, was wir haben und wenn du nicht bereit bist, das zu pflegen, dann kann ich nichts dafür, wenn es zu Ende geht."

Sie saß ihm gegenüber. Schockiert. Traurig. Peinlich berührt. Hatte sie sich so verhalten wie er es ihr beschrieben hatte? In ihrem Gefühl war die Wichtigkeit dieser einen besonderes Prüfung gewesen, sie hatte gedacht er könnte das nachfühlen, da er selbst ja auch immer großen Wert auf seine berufliche Karriere legte. Aber vielleicht hatte er Recht. Nein, ganz bestimmt hatte er Recht. Dieser wunderbare, nette, kluge, attraktive Mann. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass er so um ihre Beziehung gekämpft hatte. Er hatte mehr verdient, als das, was sie gerade gegeben hatte. 

In einer guten Beziehung reflektiert man sich und das eigene Verhalten. Man arbeitet daran, den Weg gemeinsam zu gehen. Alles das hatte er wohl getan und sie nicht. 

Der erste Grundstein für das Ungleichgewicht ihrer Partnerschaft wurde an diesem Abend gelegt. Es sollten viele dieser Momente folgen. So viele, bis aus all diesen Momenten ein System entstand, in dem sie - und nur sie - an sich arbeiten sollte. Ein System, in dem sie stetig die beste Version von sich selbst sein sollte, natürlich gemessen an seinem Ideal. 

Ein Alltag nach Jahren ist errreicht

Eines Morgens wachte sie auf, ging ins Bad und dann langsam den Weg nach unten in die Küche. Er war schon lange wach, hatte sein Sportprogramm absolviert und war dabei, seinen Kaffee zu trinken, während er am Tablett die Nachrichten las. Als sie die Küche betrat, sah er nicht zu ihr auf, er fragte sie nicht, wie sie geschlafen hatte. Er bot ihr keinen Kaffee an und als er das Haus verlassen wollte wünschte er ihr keinen schönen Tag. Der einzige Satz, der über seine Lippen kam war: "Wenn es dir heute möglich ist, wäre es schön, wenn um sieben das Essen auf dem Tisch steht. Und noch was: Wenn wir morgen zu Fischers gehen, dann sprich nicht wieder so viel über deine Arbeit. Das hat da keinen Platz."

Er hatte das Haus verlassen. Ein sauberes, schönes, modernes Haus. Tolle Möbel, teure Böden, schöne Bilder an den Wänden. Sie hatte aus diesem Haus ein Zuhause gemacht, vor allem für ihre Kinder. Nur hatte dieses Zuhause auch immer etwas dunkles, etwas, dass sie nicht erklären oder greifen konnte. Immer dann, wenn er das Haus verlassen hatte, dann konnte sie atmen. Dann konnten ihre Kinder herumrennen, laut rufen, es durfte etwas umfallen, es wurde gelebt. Doch immer nur für einen kurzen Moment. Denn immer dann, wenn er seinen Feierabend ankündigte oder auf der Einfahrt zu hören war, stieg der Druck in ihr. Natürlich hatte sich sich schon lange angwöhnt, die wilde Freiheit vom Vormittag spätestens um 15 Uhr wieder einzufangen, alles wieder an den vorgesehen Ort zu bringen, die Kinder instruiert alle Aufgaben zu erledigen. Er mochte es sauber, aufgeräumt und gut strukturiert. "Nur so kann ich mich wohlfühlen" hatte er mehrfach gesagt. Und mittlerweile wusste sie, dass es keine gute Basis für sie alle war, wenn er sich nicht wohlfühlen konnte. 

Also putze sie, manchmal wie besessen. Sie brachte ihren Kindern bei, dass laute Geräusche und schlechte Noten nicht gewünscht sind, dass von ihnen ein "entsprechendes Verhalten" verlangt wird. Alles unter der Überschrift: "Papa soll sich auch wohlfühlen können zu Hause." Auch - dieses Wort. So fehl am Platz. Wenn Papa sich entspannen kann, wenn wir es für ihn möglich machen, dann geht es allen besser. 

Und während er immer größer wurde, seine Bedürfnisse immer lauter, seine Meinung immer stärker - wurde sie kleiner, leiser und schwächer. Ein schleichender Prozess. Es entstand ein System, in dem sie sich stets in Frage stellte, in dem sie immer noch ein bisschen mehr hätte tun können und in dem sie zunehmend unsicherer wurde. Für ihre Kinder mittlerweile gelebte Normalität begannen sie auch, ihre Mutter in Frage zu stellen. Sprangen auf den Zug der Schuldzuweisungen auf. 

Denn wenn jemand Schuld hat daran, dass ich mich nicht entspannen kann, dann muss ich mich ja selbst nicht verändern und an mir arbeiten. Dann kann diese Person immer mehr und mehr machen, bis es ganz vielleicht irgendwann ausreicht. Vielleicht. Mal sehen. 

Ist das nur eine Geschichte?

Nein, leider nicht. Es ist Alltag für viele Menschen, die in ungesunden Beziehungen leben, welche auf einem starken Ungleichgewicht ruhen. In meiner Praxis waren es bisher Frauen, die mir von ihren Beziehungen berichtet haben, die so und so ähnlich verlaufen sind oder aktuell noch laufen. Und es handelt sich dabei leider nicht um eine Seltenheit. 

"Denise, ich weiß nicht wie ich an mir arbeiten kann, damit ich meine Macken endlich loswerde."

"Ich wünsche mir von der Paarberatung, dass ich besser verstehen kann, was er braucht um mit mir glücklich sein zu können."

"Ich fühle mich total verirrt. Ich gebe mir eigentlich wirklich Mühe, aber es reicht nicht aus."

"Was kann ich tun, damit wir uns nicht trennen. Er sagt, ich muss mehr an mir arbeiten, aber ich weiß gar nicht mehr, woran genau."

Wann ist eine Trennung sinnvoll oder notwendig?

Ich werde das oft gefragt, wenn diese Systeme aufgedeckt und erkannt werden. 

"Kann ich das durchbrechen oder verändern?" oder "Was kann ich tun, um das zu stoppen?"

Ich kann keiner meiner Klientinnen sagen, wann der richtige oder falsche Moment für eine Trennung ist - ausgenommen es handelt sich um Gewalt. Und schon hier entsteht der erste große Konflikt. Was ist Gewalt und was nicht? Ist es der Schlag auf den Körper oder das gesprochene Wort gegen die Seele? Ein schmaler Grad. 

Ich gebe meine Klientinnen immer mit, dass zu einer gesunden Partnerschaft ein Miteinander gehört. Es braucht ein "Wir". 

- Wir arbeiten gemeinsam an unserer Beziehung, statt: Du arbeitest an dir, damit die Beziehung funktionieren kann!

- Wir gestalten gemeinsam unser Wertsystem für unsere Familie, statt: Ich gebe vor, was richtig und falsch ist und du folgst mir!

- Wir öffnen uns für die Bedürfnisse des jeweils anderen, statt: Meine Bedürfnisse müssen erfüllt sein, bevor ich mich für irgendetwas anderes öffne

- Wir sind wichtig, statt: Ich bin wichtiger!

USW. 

Wenn ein Mensch feststellt, dass nur er / sie allein in der Partnerschaft Verantwortung übernimmt, ihm / ihr die Schuld für negatives zugetragen wird und es nur noch darum geht, die andere Person zu hofieren oder es möglichst angenehm für diese zu gestalten, wenn die Meinung nie so viel zählt, wie die des Gegenübers, dann ist die Partnerschaft vermutlich in eine Schieflage gerutscht. Durch was und wen auch immer. 

Eine Beziehung sollte immer auf Augenhöhe stattfinden, immer im besten Interesse füreinander, sich gegenseitig sehend und fühlend. Es sollte Wertschätzung und Achtung herrschen. Man sollte einander achtsam und versorgend begegnen. 

Wenn das nicht so läuft in deiner Partnerschaft, dann läuft etwas falsch. Das muss gar nicht dramatisch sein, vielleicht kann man daran arbeiten. Nur solltet ihr das dann auch tun: Sucht euch Unterstützung. Denn nur eine gleichberechtigte und gleichwürdige Partnerschaft ist eine gesunde Partnerschaft.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Paarberatung?

Der richtige Zeitpunkt ist generell immer. Denn es ist nie zu früh miteinander ins Wir, also in die Kommunikation zu gehen. Ob es zu spät ist, kann man vorher nie sagen. Ich habe Paare begleitet, die wieder zueinander gefunden haben und andere, für die klar wurde, dass nur noch die Trennung folgen kann. 

Wichtig ist immer, dass du diesen Schritt für dich tust. Denn in der Paarberatung hast du die Möglichkeit, dich aus alten Mustern zu befreien, in die Persönlichkeitsentwicklung zu gehen und aus der Komfortzone heraus in neue Lebenssysteme zu finden. 

Ich wünsche dir, dass du deinen Wert fühlen und deine Bedürfnisse benennen und umsetzen kannst. Das du eigenverantwortlich und selbstbestimmt dein Leben führen kannst. 

Denise



Denise Winter
Denise Winter
Pädagogin und Coachin

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