
Wenn du das hier liest, bist du vermutlich in einer Phase, in der sich etwas innerlich nicht stimmig anfühlt: Du spürst, dass dein Wohlbefinden, dein Selbstwert, dein Gefühl, richtig zu sein, stark an eine Person gekoppelt ist – an deinen Partner oder deine Partnerin – und du fragst dich:
„Ist das noch Liebe – oder schon Abhängigkeit?“
Emotionale Abhängigkeit bedeutet, dass nicht mehr die Beziehung zum Leben beiträgt – sondern dass die Beziehung und die Resonanz deiner Partnerin/deines Partners zum Leben geworden ist.
Dass dein inneres Gleichgewicht, deine Gefühle und dein Selbstwertgefühl zunehmend davon abhängen, wie sich dein Gegenüber verhält, wie er oder sie sich dir gegenüber zeigt. Wenn du denkst:
„Ohne ihn / sie geht nichts“
„Wenn er / sie nicht da ist, fühle ich mich leer“
„Mein Wert hängt davon ab, wie er / sie mich sieht“
„Ich muss (...) tun, damit er / sie mich gern haben kann“
„Nur mit dir kann ich glücklich sein“
– dann sind das Alarmzeichen.
In der Fachliteratur heißt es etwa: „Eine übertrieben enge Beziehung zur anderen Person, verbunden mit dem Gefühl, nur diese Person könne die emotionalen Bedürfnisse erfüllen“ ist typisch für emotionale Abhängigkeit.
Wichtig: Es gibt einen wesentlichen Unterschied mit gesunder Nähe oder tiefer Verbundenheit. Abhängigkeit überschreitet die gesunde Balance von „Ich und du“ und kippt in ein Muster von „Ich nur durch dich“.
Es ist nicht immer leicht, ehrlich und klar hinzuschauen – oft begleitet von Schuld, Scham oder dem Gefühl: „Wie konnte ich das zulassen?“ Hier einige typische Merkmale, die du in dir entdecken kannst – und mit denen wir im therapeutischen Prozess arbeiten.
1. Dein Selbstwert hängt stark von deinem Partner / deiner Partnerin ab.
2. Angst vor Alleinsein, Trennung oder / und: Kontroll-, Klammer- oder Rückzugsverhalten.
3. Beziehung wird zur einzigen Überlebensstrategie – andere Bezüge verlieren an Bedeutung.
Wenn mindestens einige dieser Punkte dich innerlich ansprechen, kann es sehr gut sein, dass du in einem Muster der emotionalen Abhängigkeit bist. Das bedeutet nicht, dass du „schuld“ bist – sondern dass du in ein tief verankertes Muster geraten bist, das sich verändern lässt.
Als Paartherapeutin beobachte ich regelmäßig, wie solche Muster mehrstufig gewachsen sind – nicht über Nacht, sondern über Jahre hinweg. Zu wissen, wo sie herkommen, ist ein wichtiger Schritt zur Veränderung.
In vielen Fällen liegen die Wurzeln in der Kindheit: Vielleicht hast du erlebt, dass Liebe an Bedingungen geknüpft war („Wenn du brav bist, dann…“), oder du hast gelernt, deine Bedürfnisse hinten anzustellen, um Nähe und Zuwendung zu sichern.
Wenn Selbstwert hauptsächlich über die Zuwendung von außen lief, entsteht später in Beziehungen leicht das Muster: „Ich brauche dich, damit ich mich wertvoll fühle.“
Ein Glaubenssatz könnte lauten: „Ich muss geliebt werden, damit ich existieren darf.“ Oder: „Wenn ich nicht für dich da bin, bin ich nichts wert.“ Diese inneren Überzeugungen lassen uns in Beziehungen nicht mehr frei atmen – wir dienen dem Erhalt der Beziehung statt unserer eigenen Mitte.
Der Verlauf einer emotional abhängigen Beziehung zeigt oft bestimmte Phasen: Starke Idealisierung des Partners / der Partnerin, dann Enttäuschung, Angst vor Verlust, Klammern, in manchen Fällen auch Manipulation oder Kontrollversuche.
Die Dynamik kann sich so anfühlen wie eine Sucht: kurze „Höhen“ durch Nähe, Zuwendung, Bestätigung – gefolgt von „Tiefs“, wenn der Partner /die Partnerin nicht verfügbar ist oder zurückzieht.
In der systemischen Arbeit sehen wir, wie du in den anderen etwas hineinprojizierst, das du selbst bist oder sein könntest – z. B. ein Anteil deines inneren Kindes, das nicht gesehen wurde – und die Beziehung übernimmt stellvertretend die Funktion, diese Leerstelle zu füllen. Solange du den Teil in dir nicht integriert hast, bleibt der Appell aktiv: „Sei für mich da, rette mich, mach mich fühlbar.“
Das Herz des Weges liegt darin, die eigene Autonomie, den eigenen Wert, deine Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt zu stellen – und so Partnerschaft neu auf Augenhöhe zu gestalten. Hier kommen hilfreiche Schritte und therapeutische Methoden ins Spiel, mit denen wir in der Praxis arbeiten.
In der systemischen Therapie arbeiten wir unter anderem mit „inneren Anteilen“. Die Idee dieser Methode ist, dass der Mensch aus vielen verschiedenen inneren Anteilen (Ego States) besteht. Wir sind nicht nur eine Seite, sondern bestehen aus verschiedenen Facetten, die in unterschiedlichen Beziehungs-Dynamiken oder Ausgangssituationen herausstechen. Diese können sein: Das hilfsbedürftige Kind, der Leistungserbringer, der Kontroll-Agent, der Überanpasser u.v.m.
Indem du diese Anteile benennst, ihnen Raum gibst und mit ihnen Dialog führst, kannst du ihnen ihre Funktion entziehen – und dadurch die Abhängigkeit durchbrechen.
Ein zentraler Baustein ist die Arbeit mit deinen Werten. Fragen wie:
Wenn du merkst, dass dein Wertgefühl davon abhängt, wie dein Partner / deine Partnerin dich sieht – dann ist die klare Antwort: Du musst zurück zu deinem Wertempfinden unabhängig von ihm/ihr.
Die Aufstellungsarbeit (z. B. Familienaufstellungen, System-Aufstellungen) ist in der systemischen Therapie ein kraftvolles Werkzeug:
Du stellst bildlich auf, welche Personen oder Anteile in deinem System sind (z. B. dein Anteil „Ich ohne ihn“, dein Anteil „Ich nur mit ihm“, der Anteil „Angst vor Verlust“)
Durch diese Visualisierung entdeckst du oft überraschend: Welche Kräfte wirken da – Bindung, Angst, Projektion, alte „Familienreihen“ (z. B. Mutter, die sich für den Vater eingesetzt hat, Kinder, die früh Verantwortung übernahmen)
Im therapeutischen Feld können wir dann auflösen: „Ich“ wird stärker, die Abhängigkeit wird sichtbar, kann benannt und neu geordnet werden
Wenn du dich stärker spürst und stabiler in dir stehst, kannst du mit deinem Partner oder deiner Partnerin in einen offenen Dialog gehen:
In der therapeutischen Begleitung schauen wir dann: Wie reagieren wir auf Nähe und Distanz? Wie kommunizieren wir über Bedürfnisse – statt Forderungen?
In unserer praxistherapeutischen Arbeit mit Paaren und Einzelpersonen, die unter emotionaler Abhängigkeit leiden, nutzen wir diese Methoden:
Systemische Gesprächsarbeit: Wir schauen nicht nur auf das Paar, sondern auf dein individuelles Familiensystem, deine Verstrickungen, deine Muster.
Arbeit mit inneren Anteilen: In Einzel- oder Paartherapie benennen wir „Anteile“, die mehr Macht bekommen haben als dein erwachsenes Ich – z. B. das hilflose Kind, der Über-Anpasser, der Kontroll-Teil. Diese Anteile wollen gesehen werden – nicht bekämpft.
Werte- und Ressourcenarbeit: Wir suchen gemeinsam heraus, was deine Werte sind, welche Ressourcen du hast – und wie du Zugang zu deiner Stärke und Würde bekommst.
Aufstellungsarbeit: Ob mit Stellvertretern im Raum oder im Gedankenexperiment – wir machen sichtbar, wer oder was in deinem System mitspielt: Angst, Schuld, Erwartung, Unbewusstes. Indem wir Positionen verändern, gewinnen wir Freiheitsräume.
Achtsamkeit & Selbstfürsorge: Parallel erarbeoten wir, wie du dich selbst regulieren kannst – wenn dein Partner / deine Partnerin emotional abwesend ist, wie du dich selbst stützen kannst, statt dich in Panik zu geben.
Ja – es lohnt sich.
Denn wenn du aus dem Kreislauf der emotionalen Abhängigkeit aussteigst, gewinnst du:
Und dennoch – es ist ein Weg mit Mut, mit Schmerz, mit Fragen. Manche Tage sind schwierig. Auch Rückfälle sind möglich – du erlebst vielleicht: „Ich merke, wie ich doch wieder klammere“. Dann ist es wichtig: nicht zu urteilen, sondern zu verstehen: „Ah, da war wieder ein Anteil, der sich bedroht fühlte.“
Wenn du möchtest, beantworte für dich allein (oder bringe sie in deine Therapie mit) diese Fragen:
Liebe /r Leser /in – es ist ein großes und heilsames Unterfangen, die emotionale Abhängigkeit zu erkennen und sich herauszubewegen. Du musst nicht perfekt sein. Du darfst Fehler machen. Und du darfst auch wachsen – hin zu einer Beziehung, in der du nicht dein Leben verleihst, sondern dein Leben mit einem Menschen lebst, nicht für ihn. Wenn du Unterstützung möchtest – in meiner Praxis, in Einzel- oder Paarberatung – begleite ich dich sehr gern auf diesem Weg.
In Verbundenheit und Wertschätzung –
Denise
Bollmannsweg 27d | 26125 Oldenburg | 0152-26972141 | info@denise-winter.de
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Mo | Do 08:00 - 12:15 und 15:30 - 19:00
Di 08:00 - 13:00 und 15:00 - 19:00
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