Wenn die Liebe still wird – Was Unsicherheit in deiner Beziehung dir zeigen will

Wenn die Liebe still wird – Was Unsicherheit in deiner Beziehung dir zeigen will

Denise Winter
von Denise Winter

Es gibt Zeiten in einer Beziehung, da fühlst du dich leer.

Nicht unbedingt unglücklich – aber auch nicht wirklich glücklich.

Vielleicht sitzt du abends neben deinem Partner oder deiner Partnerin auf dem Sofa und spürst: Irgendetwas ist anders.

Früher war da Nähe, Spannung, Vorfreude. Heute ist da Routine, manchmal Distanz, manchmal Schweigen.

Und manchmal fragst du dich: Liebe ich noch? Oder halte ich nur fest, weil ich Angst habe, loszulassen?

Wenn du solche Gedanken kennst, bist du nicht allein. Viele Menschen kommen genau mit dieser Unsicherheit in die Paartherapie. Und fast immer steckt darunter nicht einfach ein „Ich weiß nicht mehr, ob ich dich liebe“, sondern ein viel tieferes Ringen: um Nähe, Selbstschutz, Sehnsucht und Ehrlichkeit.

In diesem Beitrag möchte ich dich begleiten, diesen inneren Raum zu erforschen.

Ich möchte dir helfen, zu verstehen, was in dir passiert, wenn du in deiner Beziehung zweifelst – und wie du mit dieser Unsicherheit umgehen kannst, ohne vorschnell zu entscheiden, was „richtig“ oder „falsch“ ist.

1. Wenn Sicherheit unsicher wird

Eine Beziehung beginnt meist mit Leichtigkeit. Mit einem Gefühl von „Wir gehören zusammen“.

Aber irgendwann, oft nach ein paar Jahren, verändert sich etwas.

Die Verliebtheit verblasst – und mit ihr das Gefühl von Gewissheit.

Das ist kein Fehler, sondern ein natürlicher Prozess.

Denn Liebe ist kein Dauerzustand, sondern eine lebendige Bewegung zwischen Nähe und Distanz, zwischen Verbundenheit und Eigenständigkeit.

Manche Menschen erleben diesen Wandel als Befreiung: Endlich kann man sich zeigen, wie man wirklich ist.

Andere erleben ihn als Verlust: Das Herz schlägt nicht mehr so schnell, die Gespräche sind alltäglicher, und plötzlich taucht die Frage auf:

„Ist das noch Liebe – oder Gewohnheit?“

Diese Unsicherheit tut weh, weil sie etwas infrage stellt, das du dir sicher geglaubt hattest.

Aber sie ist auch eine Einladung.

Eine Einladung, dich selbst wieder zu spüren.

Übung 1: Dein inneres Barometer

Schließe für einen Moment die Augen.

Stell dir vor, du würdest dich selbst wie ein inneres Barometer betrachten – eines, das anzeigt, wie du dich gerade in deiner Beziehung fühlst.

Frage dich:

Wie würde ich den aktuellen Zustand beschreiben – ruhig, gespannt, leer, überfordert, sicher, unsicher?

Wann fühle ich mich verbunden? Wann eher auf Abstand?

Was löst in mir Wärme aus – und was Kälte?

Nimm dir Zeit, ehrlich zu antworten. Es geht nicht darum, sofort Schlüsse zu ziehen, sondern erst einmal wahrzunehmen, was ist.

Denn oft entsteht Unsicherheit nicht aus einem Mangel an Liebe, sondern aus einem Mangel an Bewusstheit.

2. Was hinter Beziehungszweifeln wirklich steckt

Viele Menschen denken, Zweifel seien ein Zeichen dafür, dass mit der Beziehung etwas nicht stimmt.

Aber Zweifel sind nicht das Gegenteil von Liebe – sie sind Teil davon.

Zweifel entstehen dort, wo Nähe auf alte Verletzungen trifft.

Wo jemand dich sieht – und du plötzlich spürst, wie schwer es dir fällt, dich wirklich zu zeigen.

Vielleicht kennst du das:

Du wünschst dir, dass dein Partner dich versteht, aber wenn er zu nahe kommt, ziehst du dich zurück.

Oder du bist diejenige, die ständig Nähe sucht – und nicht versteht, warum dein Gegenüber auf Distanz geht.

Solche Dynamiken sind kein Zufall. Sie haben meist tiefe Wurzeln.

In der Paartherapie spreche ich oft vom „inneren Kind“ in uns – dem Teil, der gelernt hat, wie Liebe funktioniert.

Wenn du zum Beispiel als Kind erfahren hast, dass du stark sein musst, um geliebt zu werden, dann wirst du in deiner Beziehung vielleicht unbewusst genau das wiederholen: stark sein, anpassen, funktionieren – anstatt dich zu zeigen, wie du bist.

Und irgendwann kommt dann der Moment, an dem du innerlich leer wirst.

Nicht, weil du den anderen nicht mehr liebst, sondern weil du dich selbst in der Beziehung verloren hast.

Übung 2: Was wiederholt sich?

Schreib dir drei Situationen auf, in denen du dich in deiner Beziehung unwohl oder unverstanden gefühlt hast.

Zum Beispiel:

„Er hört mir nicht richtig zu.“

„Ich habe das Gefühl, ich darf nicht traurig sein.“

„Ich ziehe mich zurück, wenn sie wütend wird.“

Schau dir diese Situationen an und frage dich:

Kennst du dieses Gefühl schon aus deiner Kindheit oder Jugend?

Gibt es ein vertrautes Muster, das sich wiederholt?

Oft liegt genau hier der Schlüssel.

Nicht der Partner oder die Partnerin ist das Problem, sondern die alten Erfahrungen, die in dir lebendig werden, wenn du ihm oder ihr begegnest.

3. Liebe ist mehr als ein Gefühl – sie ist eine Entscheidung, die du immer wieder triffst

Viele Menschen sagen: „Ich weiß nicht, ob ich noch Liebe empfinde.“

Und was sie eigentlich meinen, ist: Ich spüre gerade kein warmes, klares Gefühl in mir.

Aber Liebe ist mehr als ein Gefühl. Sie ist ein Prozess.

Eine Entscheidung, sich immer wieder zu öffnen – auch dann, wenn es weh tut, auch dann, wenn Zweifel da sind.

In einer reifen Beziehung geht es nicht darum, ständig Schmetterlinge zu fühlen.

Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – für das, was du brauchst, und für das, was du in die Beziehung einbringst.

Das bedeutet nicht, dass du bleiben musst, wenn du unglücklich bist.

Aber bevor du gehst, lohnt es sich, ehrlich hinzuschauen:

Habe ich wirklich alles von mir gezeigt? Habe ich kommuniziert, was in mir los ist? Oder habe ich gehofft, der andere würde es von selbst merken?

Übung 3: Bleiben oder gehen – was bewegt dich wirklich?

Nimm ein Blatt Papier und zieh eine Linie in der Mitte.

Schreib links: „Gründe zu bleiben“, und rechts: „Gründe zu gehen“.

Aber diesmal nicht im äußeren Sinn („Wir haben ein Haus, Kinder, Sicherheit“), sondern auf emotionaler Ebene.

Zum Beispiel:

Ich bleibe, weil ich hoffe, dass es wieder gut wird.

Ich gehe, weil ich mich nicht mehr lebendig fühle.

Ich bleibe, weil ich Angst habe, allein zu sein.

Ich gehe, weil ich wieder spüren will, wer ich bin.

Wenn du fertig bist, lies dir beide Seiten durch.

Und dann stell dir die Frage:

Was davon gehört wirklich zu meiner Beziehung – und was gehört zu mir selbst?

Manchmal merken Menschen in dieser Übung, dass sie gar nicht so sehr an der Beziehung zweifeln, sondern an sich selbst.

Dass sie sich selbst entfremdet haben – und glauben, der andere sei daran schuld.

4. Nähe und Freiheit – der ewige Tanz

In jeder Beziehung bewegen wir uns auf einer unsichtbaren Linie zwischen Nähe und Freiheit.

Wir wünschen uns, jemand möge uns ganz sehen – aber wir wollen uns auch nicht verlieren.

Wenn du dich gerade unsicher fühlst, könnte es sein, dass dieses Gleichgewicht in deiner Beziehung gestört ist.

Vielleicht bist du diejenige, die viel Nähe sucht – und dein Partner zieht sich zurück.

Oder du bist derjenige, der sich eingeengt fühlt – und der andere klammert.

Beide Seiten sind menschlich.

Aber solange ihr in diesen Gegensätzen feststeckt, entsteht ein Kreislauf von Rückzug und Druck, Nähe und Distanz, Sehnsucht und Angst.

Der Weg heraus führt nicht über Kontrolle oder Anpassung, sondern über Selbstverantwortung.

Reflexion: Was bedeutet Nähe für dich?

Schreib frei und ohne nachzudenken:

Wann fühle ich mich meinem Partner / meiner Partnerin wirklich nah?

Wann fühle ich mich eingeengt oder überfordert?

Was brauche ich, um Nähe zulassen zu können?

Was brauche ich, um mich frei zu fühlen?

Wenn du das aufschreibst, wirst du vielleicht merken, dass Nähe und Freiheit keine Gegensätze sind.

Sondern dass sie sich gegenseitig brauchen.

Denn nur wer sich frei fühlt, kann sich wirklich öffnen. Und nur wer sich verbunden fühlt, kann sich wirklich frei entfalten.

5. Ehrlichkeit ist der Beginn von Klarheit

Unsicherheit in Beziehungen entsteht oft dort, wo wir uns selbst nicht mehr trauen, ehrlich zu sein.

Vielleicht willst du niemanden verletzen.

Oder du hast Angst, was passiert, wenn du aussprichst, was du wirklich fühlst.

Aber Schweigen schützt nicht. Es entfernt.

Ehrlichkeit ist kein Angriff – sie ist ein Ausdruck von Nähe.

Denn wenn du ehrlich sagst, wie es dir geht („Ich fühle mich gerade unsicher in unserer Beziehung“), öffnest du eine Tür.

Eine Tür, durch die dein Gegenüber dich sehen kann.

Natürlich braucht das Mut.

Aber dieser Mut ist der einzige Weg, wieder in Kontakt zu kommen – mit dir selbst und mit dem anderen.

Übung 4: Die ehrliche Nachricht

Schreib deinem Partner oder deiner Partnerin einen Brief (du musst ihn nicht abschicken).

Beginne mit dem Satz:

„Was ich dir eigentlich sagen möchte, ist …“

Und dann schreibe, ohne zu zensieren:

Was du fühlst, was du vermisst, was du hoffst.

Aber auch, wovor du Angst hast.

Wenn du fertig bist, lies den Brief laut vor – nur für dich.

Spüre, wie sich deine Worte anfühlen.

Oft entsteht schon dadurch eine erste Klarheit.

6. Liebe braucht Bewegung

Viele Beziehungen scheitern nicht, weil die Liebe weg ist – sondern weil sie unbewegt bleibt.

Weil beide hoffen, der andere möge etwas verändern, während sie selbst stillstehen.

Liebe ist wie ein Garten:

Wenn du ihn nicht pflegst, wächst dort nicht einfach nichts – es wächst Distanz.

Wenn du dich also fragst, ob du bleiben oder gehen sollst, frag dich zuerst:

Was habe ich wirklich versucht, um diese Beziehung lebendig zu halten?

Hast du neue Gespräche gesucht, neue Erfahrungen, neue Wege, miteinander zu sein?

Oder bist du in der Enttäuschung stecken geblieben?

Manchmal ist es nicht das Ende der Liebe, das weh tut, sondern das Ende der gemeinsamen Bewegung.

Übung 5: Kleine Veränderungen, große Wirkung

Wähle in den nächsten sieben Tagen jeden Tag eine kleine bewusste Handlung, die die Verbindung stärkt.

Zum Beispiel:

  • Deinem Partner bewusst zuhören, ohne zu unterbrechen
  • eine Umarmung länger halten, einen Spaziergang machen, ohne über Probleme zu sprechen
  • einen Satz sagen, den du lange nicht gesagt hast: „Ich bin froh, dass du da bist.“

Es sind oft die kleinen Gesten, die große Räume öffnen.

Nicht, weil sie Probleme lösen, sondern weil sie wieder Kontakt schaffen – den Boden, auf dem alles andere wachsen kann.

7. Wenn du nicht mehr weißt, was du fühlst

Manchmal ist es nicht der Partner, der fehlt – sondern das Gefühl.

Man sitzt nebeneinander, und da ist einfach nichts mehr. Keine Sehnsucht, keine Wärme.

Das kann beängstigend sein.

Aber Gefühle sind keine verlässlichen Indikatoren für Liebe – sie sind wie Wellen.

Manchmal ziehen sie sich zurück, um später wiederzukommen.

Oft passiert das, wenn das Nervensystem überfordert ist – durch Stress, Konflikte, oder weil du innerlich „abgeschaltet“ hast, um dich zu schützen.

In solchen Phasen ist es wichtig, nicht vorschnell zu urteilen.

Denn die Frage ist nicht: Fühle ich noch Liebe?

Sondern: Bin ich in der Lage, Liebe gerade zu fühlen?

Übung 6: Wieder in Kontakt mit dir kommen

Nimm dir zehn Minuten Zeit.

Setz dich an einen ruhigen Ort, leg eine Hand auf dein Herz und atme bewusst ein und aus.

Frag dich leise:

Was fühle ich gerade in meinem Körper?

Bin ich offen – oder angespannt?

Welche Gedanken kreisen in mir?

Wenn du magst, kannst du das aufschreiben.

Diese Übung hilft dir, wieder bei dir selbst anzukommen.

Denn manchmal musst du dich erst wieder selbst spüren, bevor du spüren kannst, ob da Liebe ist.

8. Wenn Loslassen Liebe bedeutet

Nicht jede Beziehung kann oder sollte bleiben.

Manchmal zeigt uns die Unsicherheit, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem etwas Neues beginnen darf.

Das bedeutet nicht, dass die Beziehung gescheitert ist.

Manche Verbindungen erfüllen ihren Zweck darin, uns etwas über uns selbst zu lehren.

Wenn du spürst, dass du wirklich alles gegeben hast, dass du dich gezeigt, gesprochen, gefühlt, bewegt hast – und trotzdem keine Lebendigkeit mehr da ist,

dann darf Liebe auch bedeuten: Ich lasse dich los.

Nicht aus Kälte, sondern aus Achtung.

Weil du dir selbst und dem anderen wünschst, dass ihr beide wieder wachsen könnt.

Reflexionsfragen zum Abschiednehmen

  • Was habe ich durch diese Beziehung über mich gelernt?
  • Wofür bin ich dankbar?
  • Was möchte ich zurücklassen – und was nehme ich mit?
  • Wie kann ich liebevoll Abschied nehmen, ohne mich selbst zu verurteilen?

Loslassen ist kein Scheitern - es ist ein Ausdruck von Reife.

Denn echte Liebe will nicht besitzen – sie will Freiheit schenken.

9. Fazit: Unsicherheit ist ein Kompass, kein Urteil

Wenn du dich in deiner Beziehung gerade unsicher fühlst, bedeutet das nicht automatisch, dass sie zu Ende ist.

Unsicherheit ist ein Signal – ein Hinweis, dass etwas in dir gesehen werden will.

Vielleicht braucht deine Beziehung gerade keine Entscheidung, sondern Begegnung.

Begegnung mit dir selbst, mit deiner Wahrheit, mit deiner Sehnsucht.

Und manchmal ist genau diese Phase, die so schmerzhaft und verwirrend ist, der Beginn einer tieferen Liebe –

einer Liebe, die nicht mehr auf Illusionen beruht, sondern auf Echtheit.

Denn Liebe, die bleibt, ist nicht die, die sich nie verändert.

Sondern die, die sich verändern darf – und dabei lebendig bleibt.

Wenn du dich also fragst, ob du noch liebst oder nur festhältst, erinnere dich:

Du musst es nicht heute wissen.

Aber du darfst heute anfangen, ehrlich zu spüren.

Denn darin beginnt alles –

im ehrlichen Austausch mit dir selbst.


Denise Winter
Denise Winter
Pädagogin und Coachin

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