Eine Trennung ist immer ein schmerzlicher Prozess. Sie zerbricht nicht nur das gemeinsame Leben, sie stellt auch Eure gesamte Vergangenheit, Eure Identität und Eure Hoffnungen auf den Prüfstand. Inmitten dieses Gefühlschaos tut oftmals eines besonders weh: Das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Du sagst etwas, Dein Partner hört etwas anderes. Du sprichst von Deinen Gefühlen, aber es sieht so aus, als ob Dein Gegenüber schlicht nicht weiß, wovon Du redest. Warum ist das so? Wie kommt es, dass Menschen, die einander lieben – oder zumindest geliebt haben – aneinander vorbeireden? Und wie kann man den Spalt überwinden, bevor er unüberwindbar wird?
In diesem Artikel schauen wir uns an, **warum Paare oft so unterschiedlich kommunizieren**, warum Du das Gefühl hast, nicht verstanden zu werden, und was Du tun kannst, um Verständigung – oder zumindest echtes Zuhören – wieder möglich zu machen.
Kommunikation – das Reden, Zuhören, verstanden werden wollen – ist zentral für jede Beziehung. Doch gleichzeitig ist sie eines der größten Stolpersteine. Hier sind einige Gründe, warum das so ist:
Jeder von uns bringt eine ganz eigene Geschichte mit: Kindheit, Prägung, Sprache der Eltern, früher erlebte Konflikte und Liebe. Diese Vergangenheit beeinflusst, wie Du Gefühle definierst, wie offen Du Worte findest und wie viel Du bereit bist zu zeigen, ohne Angst zu haben.
Wenn es um Liebe, Nähe und Zugehörigkeit geht, wird man verletzlich. Wer sich öffnet, riskiert Ablehnung, Missverständnis oder noch schlimmer: Nicht gesehen zu werden. Also halten viele Menschen eine Schutzmauer hoch – oft ohne zu merken, dass diese Mauer zwischen ihnen und ihrem Partner steht.
Manchmal wird ein schwieriges Thema lieber verschwiegen, als es anzusprechen und damit Leiden oder Strafe zu riskieren. Es ist leichter, still zu leiden, als jemandem Vorwürfe zu machen, sich verletzlich zu zeigen oder sich gar zurückgewiesen zu fühlen.
Vielleicht willst Du gerade in Ruhe sprechen, Dein Partner braucht jedoch mehr Tempo oder praktische Lösungen. Vielleicht liebst Du Tiefe, und Dein Gegenüber ist eher pragmatisch. Solche Unterschiede sind normal – aber sie können zur Distanz führen, wenn sie nicht benannt werden.
Häufig nehmen Menschen gar nicht wahr, wie das, was sie sagen, beim anderen ankommt. Wenn jemand reagiere, hört oder fragt: *„Habe ich Dich richtig verstanden?“*, wird schon eine wichtige Brücke geschlagen. Fehlt diese Rückmeldung, schweifen beide in eigenen Gedanken ab – und das Gefühl wächst, nicht verstanden zu werden.
Damit Du besser verstehst, warum Dein Partner oft wirkt, als würde er *ganz anders denken*, schauen wir uns an, welche Kommunikationsstile es geben kann. Nicht jeder Stil passt zu jedem Menschen – und meistens benutzt man mehrere. Aber wenn zwei gänzlich unterschiedliche Stile aufeinanderprallen, entstehen Missverständnisse sehr leicht.
Gefühlsorientiert / Expressiv:
Rational / logisch:
Pragmatisch / aktivitätsorientiert:
Stille / vermeidende Kommunikation:
Unterstützend / Empathisch:
Wenn Du merkst, dass Du und Dein Partner unterschiedliche Stile habt – z. B. einer leidet innerlich, möchte reden und tiefe Gefühle teilen, der andere möchte sofort Lösungen, Ratschläge oder „das Problem beheben“ – dann entsteht sehr leicht das Gefühl, nicht gehört zu werden oder dass das, was man sagt, nicht wichtig ist.
Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist, dass jeder seine ganz persönliche „emotionale Landkarte“ hat: Wie wir fühlen, wie wir über Gefühle denken, wie wir sie benennen und wie viel wir davon zeigen. Einige Kernpunkte dabei sind:
Nicht jeder hat gleich gelernt, Gefühle zu benennen. Manchmal fehlt das Vokabular. Manchmal wurde in der Familie wenig über Gefühle gesprochen. „Ich bin traurig“ klingt für Dich vielleicht so banal, aber für jemanden, der kaum Zugang hat zu dieser Sprache, ist es ein riesiger Schritt.
Manche Menschen erleben Gefühle sehr intensiv, andere weniger stark – oder sie haben gelernt, sie zu regulieren (unterdrücken, verbergen, rationalisieren). Das beeinflusst, wie offen oder zurückhaltend jemand ist.
Viele kleine Hinweise – Stimme, Blick, Haltung, Gesichtszüge – sagen schon viel, bevor ein Wort gesprochen ist. Menschen mit weniger bewusster Wahrnehmung dieser Signale können sie leicht übersehen oder anders interpretieren.
Traumata, frühere Verluste, frühere Ablehnung: All das prägt, wie sensibel man auf bestimmte Themen reagiert. Oft entstehen emotional gereizte Momente: Ein Wort oder Tonfall erinnert an alte Verletzungen und löst eine überproportionale Reaktion aus.
Je nachdem, in welcher Kultur oder in welchem sozialen Umfeld Du aufgewachsen bist, wird erwartet, wie Gefühle gezeigt werden: zurückhaltend, laut, offen, stoisch, dramatisch. Auch das beeinflusst, wie Du reden willst – und wie Dein Partner erwartet, dass Du redest.
Wenn zwei Menschen sich lieben (oder geliebt haben), dann sind die Situationen, in denen sie sich missverstehen, oft besonders schmerzhaft. Hier sind typische Ursachen und Beispiele aus dem Alltag, um zu zeigen, wie leicht man aneinander vorbeireden kann.
Du erwartest, Dein Partner merkt schon, wenn Du traurig bist, weil es Dir schlecht geht – ohne dass Du es sagst. Oder Du denkst, er/sie würde wissen, was Dir gefällt oder wichtig ist, weil Du es ja früher einmal gesagt hast.
Du denkst: „Er denkt, ich übertreibe“ oder „Sie hält mich für schwach“ – ohne deine Annahmen zu hinterfragen. Das erzeugt Unsicherheit oder Verteidigungshaltung.
Statt zu sagen „Ich fühle mich verletzt, weil du gestern unser Gespräch abgebrochen hast“, wird gesagt „Du hast mich komplett ignoriert!“ – das klingt wie eine Attacke und löst sehr schnell eine Abwehr aus.
Wenn einer gestresst oder abgelenkt ist, ist die Bereitschaft zu tieferem Zuhören oft gering. Oder man spricht über etwas Wichtiges in einem Moment, der nicht geeignet ist.
Manche Themen sind „zu gefährlich“, man will keinen Streit. Deshalb schweigt man – oder spricht nur indirekt – und hofft, der andere fängt auf. Wenn das nicht klappt, wächst der Abstand.
Beispiel 1: Du sagst: „Ich fühle mich oft einsam, auch wenn du zu Hause bist.“ Dein Partner antwortet: „Aber ich mache doch viel für uns!“
Warum entsteht hier ein Missverständnis? Dein Partner begreift das Gefühl der Einsamkeit als Vorwurf, will sofort Lösung bieten oder sich verteidigen, statt zu hören, was Einsamkeit für Dich in diesem Moment bedeutet.
Beispiel 2: Du empfindest ein Gespräch als verletzend, sagst: „Du hast mich heute Morgen schon wieder unterbrochen.“ Der Partner sagt: „Aber ich dachte, ich hab nur kurz gesagt, was ich wollte.“
Wo ist hier das Missverständnis? Differenz in Wahrnehmung: Für Dich war es ein Zeichen, nicht ernst genommen zu werden; für den anderen war es normaler Gesprächsablauf.
Beispiel 3: Dein Partner sagt nichts – er zieht sich zurück, es gibt Schweigen. Du interpretierst das als Desinteresse. Er sagt später, dass er überfordert war oder einfach nicht wusste, was er sagen soll.
Das Missverständnis in der Interpretation: Dein Partner macht seine Gedanken und Emotionen gerade mit sich selbst aus und versucht vielleicht erstmal selbst darüber Klarheit zu bekommen, was er denkt und fühlt. Vielleicht braucht er Zeit, um sich mitzuteilen. Diese Zeit kann sich parallel für dich natürlich nach Bedrohung anfühlen.
Eines der Herzstücke, warum Kommunikation so oft schiefgeht, sind unsere Erwartungen – bewusste oder unbewusste – und unsere Bedürfnisse.
Erwartungen sind oft unausgesprochen. Sie hängen mit dem zusammen, was wir uns erhoffen oder was wir als Partner „schuldig“ sind.
Beispiel: Ich erwarte, dass mein Partner meine Traurigkeit sieht, ohne dass ich sie äußere. Oder ich erwarte, dass mein Partner mich in bestimmten Momenten tröstet – so wie ich es brauche, nicht so, wie er es kennt.
Bedürfnisse sind die tieferen Motive hinter unseren Wünschen: Nähe, Sicherheit, Respekt, Anerkennung… Wenn diese nicht erfüllt sind, fühlen wir uns verletzt und reißen uns emotionale Wunden zu, die oft nicht leicht sichtbar sind.
Wenn Erwartungen und Bedürfnisse nicht klar benannt werden, bleibt vieles diffus – ein Nebel. Du spürst, dass etwas fehlt, aber Du weißt nicht, wie Du sagen sollst, was fehlt. Der Partner ahnt es vielleicht, interpretiert es falsch oder reagiert defensiv.
Wenn diese Kommunikationsprobleme nicht aufgefangen werden, können sie eine Spirale in Gang setzen, die unbemerkt in Richtung Trennung führt.
1. Anhäufung von nicht geäußerten Beschwerden
Kleinigkeiten schlagen sich nieder. Jeden Tag passiert etwas, was Dich stört oder verletzt. Aber statt es anzusprechen, schweigst Du oder leidest innerlich. Dein Ärger sammelt sich an.
2. Wunsch nach Nähe vs. Angst vor Nähe
Du willst Nähe – aber oft bedeutet Nähe auch Verwundbarkeit, also auch Risiko. Manche ziehen sich zurück, wenn sie merken, dass sie sich öffnen müssten. Andere stürzen sich hinein und hoffen, so verstanden zu werden. Beides kann zu Enttäuschung führen.
3. Verstärkung von Fehlinterpretationen
Der Partner, der nicht viel redet, wird als kalt wahrgenommen. Das Schweigen wird als Abweisung interpretiert. Der andere reagiert vielleicht mit Vorwürfen, emotionaler Lautstärke, mit mehr Ausdruck – was wiederum den anderen in die Defensive bringt.
4. Klaffen zwischen Bedürfnis und Realität
Dein Bedürfnis nach Sicherheit, Nähe oder Bestätigung steht im Widerspruch zur Realität: Dein Partner kann nicht (mehr) in der Weise geben, wie Du es brauchst – sei es wegen seiner Art, seiner Geschichte, seiner Kapazität.
5. Verlust von Vertrauen und Intimität
Wenn Gefühle häufiger verletzt werden oder man das Gefühl hat, ständig missverstanden zu werden, zieht man sich innerlich zurück. Man teilt weniger. Man verhält sich neutraler oder defensiv. Die Intimität, die Verbindung, die Sicherheit leidet.
6. Entscheidung zur Trennung
Manchmal ist die Trennung ein klarer Akt – man sagt: „Ich kann nicht mehr so weiter.“ Manchmal geschieht sie schleichend: Man geht auseinander, nicht indem man zusammen Türen knallt, sondern indem man emotional immer weiter entkoppelt.
Auch wenn die Situation kompliziert ist – es gibt keine Garantie, dass jede Beziehung gerettet wird – Du kannst viel dafür tun, dass Ihr Euch hört, versteht und vielleicht doch wieder zueinander findet – oder zumindest in Würde auseinandergeht.
Eine Trennung ist nie einfach. Die Tatsache, dass Du das Gefühl hast, nicht verstanden zu werden, ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Menschsein. Es zeigt, dass Dir Verbindung wichtig ist – und das ist gut. Die Herausforderungen in der Kommunikation in Beziehungen sind groß; oft entstehen sie nicht durch böse Absicht, sondern durch alte Muster, unterschiedliche Erwartungen, Angst und Verletzlichkeit.
Wenn Du Dich in dieser Situation wiederfindest, erinnere Dich daran:
Deine Gefühle sind gültig. Nur weil sie vielleicht nicht geteilt oder verstanden werden, heißt das nicht, dass sie ungerechtfertigt sind.
Verständnis ist eine Brücke – manchmal und vielleicht spät gebaut. Aber auch ein kleiner Schritt, ein ehrliches Gespräch, kann Entspannung bringen.
Kommunikation ist ein Lernprozess. Nicht jeder Streit wird perfekt gelöst. Aber mit jedem Mal kannst Du mehr darüber lernen, wie Du kommunizierst, wie Du verstanden wirst, wie Du auch verstehst.
Wenn Du entscheidest, getrennte Wege zu gehen: Tu es, weil Du an Dein eigenes Wohl glaubst – nicht aus Verzweiflung, aus der Hoffnung auf Veränderung, die nie kommt, oder aus dem Druck von außen. Sei Dir bewusst: Es ist möglich, sich zu lösen, ohne Haß zu nähren; mit Klarheit, mit Mitgefühl – auch Dir gegenüber.
Ich wünsche dir ganz viele wertvolle Gedanken zu diesem Thema,
Denise
Wenn du das Bedürfnis hast, deine Emotionen und Gedanken sortieren zu wollen, damit Klarheit entstehen kann, melde dich gerne bei uns.
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