Wenn die Angst kommt, dass die Beziehung zerbricht – und wie du wieder Halt findest

Wenn die Angst kommt, dass die Beziehung zerbricht – und wie du wieder Halt findest

Denise Winter
von Denise Winter

Es gibt diese Abende, an denen du neben deinem Partner oder deiner Partnerin sitzt – und trotzdem fühlst du dich allein. Ihr redet über den Tag, über Alltägliches, über To-dos. Aber irgendwo dazwischen spürst du etwas, das dich beunruhigt. Eine Distanz. Ein Schweigen, das sich anders anfühlt als früher.

Und dann ist sie da – diese Angst.

Die Angst, dass etwas zwischen euch zerbricht. Dass du ihn oder sie verlierst. Dass all das, was ihr gemeinsam aufgebaut habt, langsam zu entgleiten droht.

Wenn du das kennst, bist du nicht allein. Viele Paare kommen genau in diesem Zustand in die Praxis. Manchmal noch rechtzeitig – manchmal erst, wenn die Angst schon in Verzweiflung übergegangen ist.

Aber deine Angst ist zuallererst einmal ein wichtiges Signal!

Ein leises, manchmal schmerzhaftes Zeichen dafür, dass dir etwas wirklich wichtig ist. Dabei gibt es die unterschiedlichen Ursachen für Angst und wie wir sie fühlen.

In der Paartherapie erleben wir häufig Menschen die Angst davor haben, ihre Beziehungsperson zu verlieren und damit ihren sicheren Schutzraum Partnerschaft. Dabei ist oft gar nicht wichtig, ob die Beziehung nüchtern betrachtet eine gesunde Grundlage hat. Es gibt Menschen, für die ist die Tatsache allein ausreichend, dass sie in einer festen Beziehung sind. Dann fühlen sie sich sicher. 

Wenn du Angst hast, deinen Partner zu verlieren, geht es selten nur um ihn oder sie.

Es geht um Bindung – um das, was uns Menschen seit unserer Kindheit Halt gibt. Vielleicht erinnerst du dich an Momente in deinem Leben, in denen du Angst hattest, allein zu sein. Als Kind, wenn Mama oder Papa sich weggedreht haben. Als Jugendliche*r, wenn du das Gefühl hattest, nicht genug zu sein.

Diese frühen Erfahrungen leben in uns weiter. Und in engen Beziehungen – dort, wo wir uns wirklich zeigen, wo wir verletzlich sind – werden sie wieder wach. Wenn du also heute spürst: „Ich halte kaum aus, dass er sich zurückzieht.“ Oder: „Ich kann nicht schlafen, wenn sie sich von mir entfernt" - dann ist das kein Zeichen von Schwäche. Es ist Ausdruck deiner Sehnsucht nach Sicherheit, nach Nähe, nach Verbundenheit.

Aber Angst kann auch etwas mit uns machen. Sie kann uns treiben, kontrollieren, erstarren lassen.

Manche Menschen klammern, suchen Gespräche, wollen alles klären – sofort. Andere ziehen sich zurück, vermeiden Nähe, weil sie das Ungewisse nicht ertragen. Beide Strategien sind verständlich. Beide sind Versuche, sich selbst zu schützen.

Wenn Angst das Miteinander verändert

In einer Beziehung wirkt Angst wie ein unsichtbarer Dritter. Sie steht zwischen euch, beeinflusst, wie ihr euch anschaut, wie ihr redet, wie ihr reagiert.

Vielleicht merkst du, dass du häufiger nachfragst: „Liebst du mich eigentlich noch?“ Oder du ertappst dich dabei, wie du Nachrichten schreibst, nur um sicherzugehen, dass alles okay ist.

Vielleicht wirst du schneller wütend, verletzt oder eifersüchtig. Oder du gehst auf Distanz, um dich nicht zu verlieren.

Angst verändert Kommunikation. Sie verengt den Blick. Sie lässt dich nur noch sehen, was fehlt – nicht, was da ist.

Und irgendwann geht es nicht mehr um das, was zwischen euch passiert, sondern nur noch um das, was du vermeiden willst: Schmerz.

Was hinter deiner Angst steckt

In der systemisch-integrativen Paartherapie schauen wir nicht nur auf dich oder auf deinen Partner – sondern auf das, was zwischen euch passiert.

Deine Angst ist also kein „Fehler“ in dir, sondern Teil eines Systems, das gerade aus dem Gleichgewicht geraten ist.

In der Paarberatung fragen wir zum Beispiel:

  • Was löst die Angst in dir aus?
  • Wie reagiert dein/e Partner/in darauf?
  • Und wie reagierst du wiederum auf seine oder ihre Reaktion?

Wir versuchen gemeinsam mit unseren Klienten und Klientinnen ihre Verhaltensmuster zu erkennen und einen Umgang damit zu ermöglichen.

Vielleicht kennst du das:

Du fühlst dich unsicher → du suchst Nähe → dein Partner zieht sich zurück → du wirst noch ängstlicher → er zieht sich weiter zurück.

Beide erleben Stress, beide fühlen sich unverstanden.

Aber die Ursache ist nicht „falsches Verhalten“ – sondern ein Schutzmechanismus.

Ihr beide wollt eigentlich dasselbe: Sicherheit. Ihr zeigt es nur unterschiedlich.

Wie systemisch-integrative Paartherapie helfen kann

Paartherapie bedeutet nicht, dass jemand „Recht“ bekommt. Es geht darum, das Muster zu verstehen, das euch voneinander trennt – und Wege zu finden, wieder miteinander in Kontakt zu kommen.

In der systemisch-integrativen Arbeit betrachten wir die Beziehung wie ein lebendiges System, das von vielen Einflüssen geprägt ist:

  • Euren Biografien
  • Euren bisherigen Beziehungserfahrungen
  • Euren Erwartungen
  • Eurer Kommunikation
  • Und dem, was unausgesprochen zwischen euch wirkt.

Wir arbeiten also nicht gegen die Angst – sondern mit ihr. Denn Angst erzählt immer etwas über Sehnsucht.

In der therapeutischen Arbeit kann sichtbar werden, was hinter der Angst liegt:

Ein altes Muster, das du schon in früheren Beziehungen hattest. Ein Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit. Oder der Schmerz darüber, dass ihr euch verloren habt, ohne es zu merken.

Der erste Schritt: die Angst anschauen, statt sie zu bekämpfen

Viele Paare kommen in die Therapie und sagen: „Ich will, dass die Angst endlich weg ist. Ich möchte wieder leicht und sicher sein.“

Aber der Weg geht andersherum: Erst, wenn du die Angst verstehst, verliert sie ihre Macht.

In den Sitzungen geht es darum, ihr zuzuhören.

Wir fragen gemeinsam:

  • Was will sie dir zeigen?
  • Wann taucht sie auf?
  • Welche Gedanken kommen dann?
  • Und was brauchst du in diesen Momenten wirklich?

Manchmal zeigt sich: Es ist gar nicht die Angst, verlassen zu werden – sondern die Angst, nicht genug zu sein.

Oder die Angst, sich zu verlieren, wenn man sich zu sehr anpasst.

Die systemisch-integrative Arbeit lädt dich ein, die Angst nicht mehr als Gegnerin zu sehen, sondern als Stimme, die dich zu dir selbst führt.

Wie dein Partner mit deiner Angst umgehen kann

In einer Beziehung tragen beide Verantwortung für das, was zwischen ihnen geschieht – aber nicht in gleichem Maß für die Emotionen des anderen. Das ist oft schwer zu akzeptieren.

Denn wenn du Angst hast, willst du, dass dein Partner/deine Partnerin dich beruhigt, dass er/sie bleibt, dass er/sie sagt: „Ich geh nicht.“ Das kann helfen – aber immer nur kurzfristig.

Langfristig entsteht jedoch Abhängigkeit: Du brauchst immer wieder Bestätigung, um dich sicher zu fühlen. Deshalb ist ein wichtiger Teil der Paartherapie, dass jede/r lernt, sich selbst zu regulieren, ohne den/die andere/n zu verlieren.

Dein/e Partner/in kann lernen, deine Angst zu verstehen, ohne sie lösen zu müssen. Du kannst lernen, sie auszuhalten, ohne dich zu verlieren.

So entsteht langsam wieder Vertrauen – und Nähe wird möglich, weil sie nicht mehr erzwungen werden muss.

Wenn Angst und Kontrolle sich abwechseln

Angst hat viele Gesichter. Manchmal zeigt sie sich als Überfürsorglichkeit, als Eifersucht, als Rückzug, als Überanpassung. Manchmal als das Gegenteil: Als Kontrolle.

Wenn du Angst hast, verlassen zu werden, versuchst du vielleicht, Situationen zu vermeiden, die dich verunsichern. Du willst wissen, was dein/e Partner/in denkt, wo er/sie ist, mit wem er/sie schreibt.

Aber Kontrolle nährt nicht Sicherheit – sie vertreibt sie.

Denn Vertrauen wächst nicht durch Überwachung, sondern durch Verbindung.

In der Paartherapie versuchen wir, diesen Kreislauf zu verstehen, ohne zu verurteilen. Wir fragen: Was versuchst du zu schützen, wenn du kontrollierst? Und oft zeigt sich dahinter: „Ich will einfach wissen, dass ich dir wichtig bin.“ Wenn das sichtbar wird, kann dein/e Partner/in dich wieder wirklich sehen – jenseits der Kontrolle, jenseits der Vorwürfe.

Grenzen der Paartherapie

So viel Paartherapie auch bewirken kann – sie ist kein Allheilmittel. Es gibt Grenzen. 

  • Paartherapie kann nicht verhindern, dass sich zwei Menschen auseinanderentwickeln.
  • Sie kann nicht erzwingen, dass Liebe bleibt.
  • Und sie kann keine Bereitschaft schaffen, wo keine mehr ist.

Aber sie kann helfen, Klarheit zu gewinnen.

Manchmal bedeutet das, wieder zueinanderzufinden – auf eine neue, ehrlichere Weise.

Manchmal bedeutet es, sich zu trennen – mit weniger Schuld, weniger Angst, mehr Frieden.

Therapie ist kein Versprechen auf „Happy End“.

Aber sie kann ein Raum sein, in dem ihr euch begegnet – vielleicht zum ersten Mal wirklich. Und in dem ihr versteht, warum ihr so kämpft, obwohl ihr euch eigentlich nur halten wollt.

Wie du mit der Angst im Alltag umgehen kannst

Auch außerhalb der Therapie kannst du lernen, mit deiner Angst liebevoller umzugehen.

Hier sind ein paar kleine Schritte, die ich meinen Klient:innen oft mitgebe:

1. Atme, bevor du reagierst

Wenn du merkst, dass dich etwas emotional überfordert – eine Nachricht, ein Blick, eine Distanz – atme. Nicht um die Angst loszuwerden, sondern um sie zu spüren. Sag dir innerlich: „Ich darf Angst haben. Aber ich bin sicher.“

2. Schreib auf, was du fühlst

Oft hilft es, die Angst zu „erden“, indem du sie aufschreibst. Was genau macht dir Angst? Was befürchtest du wirklich – und was davon ist eine alte Geschichte, die sich wiederholt?

3. Such Nähe, ohne zu fordern

Sag ehrlich, was du brauchst: „Ich merke, dass ich gerade unsicher bin. Es würde mir helfen, wenn du kurz da bist.“ Das ist etwas anderes als: „Warum meldest du dich nie?“

4. Erinnere dich daran, wer du bist

Angst hat die Tendenz, dich klein zu machen. Erinnere dich: Du bist mehr als deine Angst. Du bist jemand, der lieben kann, fühlen kann, wachsen kann. Dein Wert steckt jenseits deiner Beziehung tief in dir und hat im ersten Schritt nichts mit deinem Gegenüber zu tun.

Was in der Tiefe passiert, wenn Angst sich löst

Wenn du beginnst, deine Angst anzunehmen, verändert sich etwas Grundlegendes: Du reagierst nicht mehr automatisch – du beginnst zu begegnen.

Du spürst:

  • Du musst nicht mehr alles kontrollieren.
  • Du darfst Nähe zulassen, ohne dich zu verlieren.
  • Du darfst Grenzen setzen, ohne Schuld.

Und dein Partner / deine Partnerin spürt es auch.

Plötzlich entsteht wieder Raum. Für Gespräche. Für Berührung. Für ehrliche Momente, in denen ihr nicht um Sicherheit kämpft, sondern sie gemeinsam schafft.

Das ist oft der Wendepunkt. Nicht, weil die Angst verschwunden ist – sondern weil sie integriert ist. Sie darf da sein, aber sie bestimmt nicht mehr euer Miteinander.

Wenn du das Gefühl hast, du schaffst es nicht allein

Manchmal ist die Angst zu groß, um sie ohne Unterstützung zu halten. Dann kann es hilfreich sein, dir Hilfe zu holen – allein oder als Paar.

In unserer Praxis arbeiten wir auf Basis der systemisch-integrativen Therapie. So finden neben gemeinsamen Sitzungen auch immer wieder Einzelsitzungen statt. Durch die verschiedenen Kolleginnen im Team gibt es so auch die Möglichkeit, neben der Paartherapie eine Beratung durch eine weitere, bisher unbeteiligte Kollegin in Anspruch zu nehmen. Hier findest du einen Raum, in dem nichts bewertet wird.

Hier darfst du Angst zeigen, ohne dass sie beschämt wird. Hier wird nicht gesucht, wer „schuld“ ist, sondern was ihr beide braucht, um euch wieder zu begegnen. Und manchmal geht es gar nicht darum, alles wieder „gut“ zu machen.

Sondern darum, dich selbst wieder zu finden – die Version von dir, die fühlen kann, vertrauen kann, lieben kann, ohne sich zu verlieren.

Zum Schluss: Ein leiser Gedanke

Vielleicht liest du das gerade, weil du spürst, dass etwas in deiner Beziehung wankt.

Vielleicht hast du Angst, dass alles zerbricht.

Vielleicht weißt du nicht, ob du kämpfen oder loslassen sollst.

Dann will ich dir eines sagen:

Angst ist kein Zeichen, dass du versagt hast. Sie ist ein Zeichen, dass dir etwas wirklich wichtig ist oder das du schon mal etwas änhliches erlebt hast und vielleicht bisher keinen sicheren Umgang damit hattest.

Manchmal führt Angst uns an unsere Grenzen – aber genau dort beginnt Wachstum. 

Dort, wo du beginnst, dich selbst zu halten, auch wenn der andere es gerade nicht kann. Dort, wo du lernst, dass Liebe nicht nur bedeutet, Nähe zu haben – sondern auch, Raum zu geben.

Und vielleicht, ganz vielleicht, ist genau das der Anfang davon, dass ihr euch wieder findet.

Nicht wie früher.

Sondern echter. Reifer. Bewusster.

Mit weniger Angst – und mehr Vertrauen.

Denise Winter
Denise Winter
Pädagogin und Coachin

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